(Filmausschnitt Maix Mayer: Die Urbanisten, 2009)
Es beginnt harmlos. Eine Prozession irgendwo in einer ländlichen asiatischen Region. Geschmückte Wagen werden gezogen, Menschenmassen schieben sich langsam aneinander vorbei. Auffallend viele Motorradfahrer scheinen unterwegs zu sein. Dicht vermummt stehen sie am Straßenrand. Ruhig fängt die Kamera die Situation ein. Plötzlich ändert sich alles. Die ersten Explosionen. Feuerstrahlen schießen aus den gezogenen Wagen. Erst vereinzelt, dann mit einer unglaublichen Intensität. Dann herrscht Chaos. Flammen und Geschosse, ähnlich einer Stalinorgel, prasseln auf die Menschen ein. Sie drängen sich aneinander, stieben teils wieder auseinander, werden getroffen, straucheln, stehen wieder auf, sind eingehüllt in einer Wand aus Feuer und Rauch.
Was sich wie ein Attentat- oder Untergangsszenario anhört, ist in Wirklichkeit das traditionelle Neujahrsfest in Taiwan. Die mit Motorradhelmen und jeglicher Art von Schutzkleidung umhüllte Menschen lassen sich mit Absicht von den Feuerwerkskörpern treffen, laufen bewusst in diese hinein, da dieses Ritual Glück und Reichtum verspricht. Nach ein paar Minuten ist der Spuk vorbei, das Licht geht an. Die Leute um mich herum kommen aus dem Staunen nicht heraus. Thomas Fuhlrott lächelt zufrieden. Wir befinden uns nicht irgendwo in einer hippen Aktionsgalerie in Berlin, sondern mitten in einem Gewerbegebiet in Grünstadt an der Deutschen Weinstraße. Was wir gerade sahen, war die Videoinstallation »Das Restreale« des Leipziger Künstlers Maix Mayer.

Später unterhalten wir uns mit Thomas Fuhlrott, Hauptinitiator dieser Ausstellung bzw. Film- und Video Lounge im Didier-Gebäude.
Was hat uns an der Ausstellung fasziniert? Natürlich die gezeigten Filminstallationen von Maix Mayer, der momentan auch im Arp Museum ausstellt.
Ebenfalls besonders erwähnenswert: Thomas Fuhlrott ist kein Galerist oder Künstler. Er ist Gründer des Unternehmens zait und handelt mit Olivenöl. Zu diesem Zweck hat er nicht nur ein besonderes Konzept entwickelt. Er legt Wert darauf, wirtschaftliches Handeln stetig mit kultureller Tätigkeit zu verknüpfen, um konsequent über das Wirtschaftliche hinauszudenken. Dabei geht es darum, Ideen auf die eigene Weise zu verwirklichen, weil einem viel daran liegt. Zum Beispiel weil man, wie in diesem Fall, von der Arbeit eines Künstlers persönlich begeistert ist, diese Begeisterung mit den Menschen im eigenen Umfeld teilen will und daher den Künstler an einen Ort holt, welcher mit Ausstellungen dieser Art nicht verwöhnt ist. Es geht auch darum, dafür Aufwand und eigene Mittel zu leisten, auch wenn man kein Großunternehmen mit gut ausgestatteter Kulturstiftung ist. »Wenn es mir wichtig ist, dann muss ich eine Sache doch realisieren und muss mir eben auch überlegen, wie ich das mit meinen Mitteln schaffe. Nichts ist blöder, als der Satz: man müsste mal…, und dann passiert nichts, weil alle warten, bis jemand mit viel Geld kommt und das Ganze in die Hand nimmt. Wie oft passiert das? Und offen gesagt: viele von uns hätten doch einige Möglichkeiten, gute Ideen zu realisieren. Man ist oft zu sehr daran gewöhnt, sich irgendwie auf andere zu verlassen oder zu sagen: das schaffe ich nicht. Aber so hätte ich Maix Mayer niemals nach Grünstadt gekriegt.«
Da bleibt bis auf zwei Fragen nichts hinzuzufügen: Da Grünstadt eigentlich überall ist, wer ist für uns, wer ist für euch Maix Mayer? Welche Idee ist unsere, welche ist eure Ausstellung?